Donnerstag, 29. Mai 2014

Ägyptens gedemütigter Wahlsieger


Die niedrige Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen bedeutet eine empfindliche Schwächung Abdel Fatal Al-Sisis im Kampf um die Rettung des Landes

von Birgit Cerha

Seine Anhänger feiern das Ende der „finsteren Epoche“ der Moslembruderschaft. Industrielle und prominente Wirtschaftsmagnaten atmen ebenso auf wie die zunehmend von Islamisten terrorisierte koptische Minderheit. Der pensionierte Feldmarschall, Abdel Fatah Al-Sisi, so posaunen die offiziellen Medien Ägyptens, habe bei den Präsidentschaftswahlen am 26., 27. Und 28. Mai einen „Erdrutschsieg“ errungen. Noch steht das offizielle Endergebnis aus, doch schon feiern die Medien einen überwältigenden Sieg Sisis von 96 Prozent, während sein einziger Gegenkandidat, der Linkspolitiker Hamdin Sabahi, bescheidene 3,5 Prozent erobern konnte.

Doch der Wahlausgang bedeutet für Sisi alles andere als einen Triumph. Die große Liebeserklärung der ägyptischen Nation für den von den Medien als „Retter Ägyptens“ glorifizierten Ex-General blieb aus. Noch bevor er offiziell den Thron des Pharao besteigen kann, erlitt er eine demütigende Demontage seines Glorienscheins. War die Sisi-Manie, die Ägypten laut offizieller Kampagne seit Monaten in ihren Bann gerissen hatte, nichts als eine Lüge? Die schwache Wahlbeteiligung und die fast hysterischen Reaktionen der Wahlbehörde darauf  – Verlängerung der Wahlen um einen Tag,  Androhung von Geldstrafen für Nichtwähler etc – hinterlassen schwere Zweifel an Sisis echter Popularität. Noch kurz vor Wahlbeginn hatte der Kandidat mit einem Gewinn von 40 Millionen Wählerstimmen gerechnet. Tatsächlich dürften es offiziell höchstens 23 Millionen, in Wahrheit vielleicht unter 20 Millionen sein. Und die Wahlbeteiligung lag laut Medien bei etwa 46 Prozent. Auch dies wird von unabhängigen Wahlbeobachtern als zu hoch eingeschätzt.
Wahlbeobachter des angesehenen „Carter Center“ hegen ernste Zweifel an der Legitimität dieser Wahlen. Angesichts der Demonstrationsverbote, der Behinderungen von Wahlhelfern, der Repression gegen Anhänger der Moslembruderschaft und allgemeinen willkürlichen und drakonischen Freiheitsbeschränkungen hätten die Wahlen nicht internationalen Standard erreicht.  Die Zahl der ungültigen Stimmzettel,  nach ägyptischer Tradition oft mit skurillen Botschaften markiert, sind diesmal mit einer Million ungewöhnlich hoch.
Zwar ist eine Wahlbeteiligung von nur 40 Prozent für ägyptische Verhältnisse nicht einmal so schlecht, gingen doch in der Demokratie-Euphorie der ersten freien Präsidentschaftswahlen, die 2012 die Moslembruder Mohammed Mursi an die Macht gebracht hatten, nur 51 Prozent zu den Urnen. Doch dies ist angesichts der hochgeschraubten Erwartungen Sisis und seiner Anhänger nur ein schwacher Trost, auch wenn Mursi mit rund 15 Millionen weniger Wählerstimmen erhalten hatte, als nun offenbar Sisi.
Wieweit die hohe Zahl der Nicht-Wähler auf den Boykott der Moslembrüder und vieler junger von dem vom Militär gestützten Übergangsregime massiv unterdrückten Demokratie-Aktivisten zurückzuführen ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Fest steht, dass auch eine tiefe Frustration und politische Apathie die Bevölkerung erfasst hat. Sieben Wahlen seit 2011, die abgesehen von Mursis gescheiterter Präsidentschaft keinen vom Volk gewählten Politiker an die Macht gebracht und das Land an den Rand des Abgrunds getrieben haben, verstärkt durch eine gigantische Selbstüberschätzung Sisis und die Siegesbeteuerungen seiner Anhänger, haben unter den Bürgern Gefühle der eigenen politischen Bedeutungslosigkeit verstärkt. Hinzu gesellt sich nun ein vielleicht gravierender Autoritäts- und Glaubwürdigkeitsverlust des Wahlsiegers. Sisi, so meint ein unabhängiger Beobachter, erreichte „einen neuen Grad des Misserfolges“, da er sein hochgestecktes Wahlziel trotz der massiven Unterstützung des Militärs, des Staatsapparates, der Medien, der Geschäftswelt, der alten politischen Elite Mubaraks, der Milliarden aus den Golfstaaten und der gewaltsam von der politischen Bühne verdrängten Rivalen so kläglich verfehlte. Er würde diesen erhofften überwältigenden Rückhalt der Bevölkerung zur Bewältigung der gigantischen ökonomischen, sozialen und sicherheitspolitischen Probleme benötigen, um das Land vor dem Abgrund zu retten.

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