Freitag, 6. Dezember 2013

Jemen wieder auf Messers Schneide

Blutiger Terror gegen das Verteidigungsminister trifft das Land in der kritischsten Phase seines politischen Übergangsprozesses

von Birgit Cerha
Eine Serie von Terrorattacken gegen das schwerbewachte Verteidigungsministerium in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa riss Donnerstag mehr fast 30 Menschen in den Tod. Das Selbstmordattentat, dem stundenlange schwere Gefechte folgten,  trägt laut Terrorexperten den Stempel der „Al-Kaida in der Arabischen Halbinsel“ (AKAH), die fest in Arabiens ärmsten Land verankert ist.
Wiewohl seit vielen Monaten von jemenitischen Streitkräften, unterstützt durch den  US-Geheimdienst und amerikanische Drohnenattacken schwer bekämpft, konnte AKAH ihre Mordkampagnen gegen Vertreter des Regimes entscheidend verstärken. AKAH kämpft für die Errichtung eines islamischen Kalifats auf der Arabischen Halbinsel und verbündete sich dabei auch mit einigen der mächtigen lokalen Stämme.
In Wahrheit freilich könnte die Täterschaft dieses seit langem  schwersten Terroranschlags in dem von chronischer Gewalt geschüttelten Jemen vielleicht nie geklärt werden. Denn gewalttätige Gruppen, die das Übergangsregime von Präsident Abdu Rabu Mansour Hadi nicht zu kontrollieren vermag, gibt es im Jemen unzählige. Neben AKAH, die während der Turbulenzen der mehr als einjährigen Demokratie-Revolte gegen Diktator Ali Abdullah Saleh 2011 zwei Städte im Süd-Jemen für einige Zeit unter ihre Kontrolle zu bringen vermochte, übt sich die ihr ideologisch nahestehende Ansar al Sharia in blutiger Gewalt. Zugleich führen Regierungstruppen Gefechte gegen regionale Rebellen im Süden und im Norden, sowie gegen die mächtigen Stämme. Gewalt zählt im Jemen zum Alltag.
Dennoch sticht der Anschlag auf das Verteidigungsministerium nicht nur durch das Ziel und Ausmaß hervor. Er trifft den Jemen in einem besonders kritischen Moment seiner politischen Übergangsphase. Als Millionen von Jemeniten am 27. Januar 2011 ihren „arabischen Frühling“ mit täglichen Protesten gegen die 33-jährige Diktatur, Korruption und den Nepotismus Salehs begannen, lebte die Hoffnung auf Wandel von einem von einer korrupten, von ausländischen Mächten abhängigen Elite beherrschten Land zu einem Staat, der den Wünschen und Zielen seiner Bürger dient auf. Doch nach langem politischen Stillstand, der den Großteil des Landes gegen Saleh vereinte, gelang es den Golfstaaten Anfang 2012, den Diktator zur Machtübergabe zu bewegen. Saleh trat ab, doch seine mächtige Familie, deren Verbündete und Nutznießer bleiben fest im System verankert. Mansour Hadi, zum Leiter einer zweijährigen Übergangsperiode gewählt,. Ist kein Revolutionär, wiewohl er sich ernsthaft, doch mit nur mäßigem Erfolg, bemüht, Salehs Einfluss in den staatlichen Institutionen auszumerzen.  Salehs Anhänger bleiben immer noch mächtig und die herrschende Schichte schlägt immer kräftiger zurück, um sich die Macht wieder voll zu sichern. Die Ziele der Revolution rücken in immer weitere Ferne.
Hauptziel der Anhänger Salehs, die – so fürchten viele seiner Gegner - die Rückkehr des Diktators vorbereiten – ist die am 18. März einberufene „Konferenz der nationalen Versöhnung“, deren Aufgabe die Erarbeitung einer neuen Verfassung und die Organisation von Präsidentschaftswahlen im Februar 2014 ist. Doch die 565 Mitglieder der verschiedensten Stämme, religiösen, regionalen und politischen Gruppierungen und er Zivilgesellschaft konnten ihre schweren Differenzen nicht überwinden. Die in den vergangenen zwei Jahren wesentlich gestärkte separatistische Bewegung des Südens verließ in Protest die Konferenz, während Salehs Anhänger alles daran setzen den Erfolg dieser Versammlung zu sabotieren. Die schweren internen Konflikte ermöglichen es dem Saleh-Clan und dessen Vertrauten, ihren Einfluss wieder zu stärken und zugleich durch Gewaltakte das Vertrauen zu den neuen Führern zu untergraben. Jüngst klagte sogar der UN-Gesandte für den Jemen, Jamal Benomar, offen, dass diese Elemente „zu einer ständigen Quelle der Instabilität“ geworden seien. Einige Regierungsmitglieder sind überzeugt, dass die Täter des Anschlags auf das Verteidigungsministerium in ihren Reihen zu suchen sind.

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