Donnerstag, 30. Mai 2013

Syrien-Diplomatie scheitert erneut

Geländegewinne und russische Raketen stärken Assad, während eine tief zerstrittene Opposition den Boykott der geplanten Friedenskonferenz ankündigt

von Birgit Cerha

Entspannt, lächelnd und siegesgewiss dankte Syriens Präsident Assad Donnerstag über „Al-Manar“, den Fernsehsender der libanesischen Hisbollah, deren Kämpfern und Russland für die Hilfe, die die militärischen Kräfteverhältnisse im Kampf gegen die Rebellen entscheidend zu seinen Gunsten verschoben hätten. Zugleich sprach er von der ersten Lieferung hochmoderner russischer  S-300 Flugabwehrraketen, die Moskau versprochen hatte. Auch der Rest werde bald eintreffen. Diese Entwicklung droht die Spannungen in  der Region dramatisch zu verschärfen und mit der zunehmenden Bereitschaft der USA, Waffen an Rebellen zu liefern, sowie dem Erfolg Frankreichs und Großbritanniens, das EU-Waffenembargo auslaufen zu lassen, eskaliert der Kampf der syrischen Opposition gegen den Diktator mehr und mehr zu einem internationalen Stellvertreterkrieg, bei dem es westlichen Mächten und Rußland ebenso um die Sicherung des Einflusses in der Region geht, wie Regionalstaaten, allen voran Iran, Saudi-Arabien und das winzige, doch so finanzkräftige Katar. Zudem hatte Israel bereits angekündigt, dass es die Stationierung dieser neuen russischen Raketen, die tief in sein Territorium einschlagen könnten, nicht zulassen werde. Israel hatte in den vergangenen Wochen bereits zweimal Luftschläge gegen Syrien unternommen.


Die Hoffnungen, insbesondere US-Präsident Obamas, das Wettrüsten in Syrien zu blockieren und dem grausigen Töten durch eine erneute diplomatische Initiative – eine für Mitte Juni in Genf geplante Friedenskonferenz – Einhalt zu gebieten, dürften damit zerstoben sein.  Während Assad offenbar Vertreter nach Genf entsenden will, ließ er jedoch klarstellen, dass seine Position nicht zur Diskussion stünde, ja dass er vielmehr entschlossen sei, bis 2014 seine Macht auszuüben und „wenn das Volk dies wünsche“ auch für eine erneute Amtsperiode bereit sei.
Demgegenüber lehnen einige Oppositionsführer entschieden Verhandlungen mit Assad ab und beharren auf dessen Rücktritt. Tatsächlich aber liefert die mit starker US-Unterstützung im November 2012 in Katar gegründete „Syrische Nationalkoalition“ ein für ihre Schirmherren zutiefst peinliches Bild schwerster interner Zerstrittenheit. In mehr als sechs Tagen konnte sich die Koalition bei einer Tagung in Istanbul weder auf eine neue Führung als Ersatz für den im März zurückgetretenen Moaz Al-Khatib einigen, noch auf einen politischen Übergangsplan und verkündete schließlich Donnerstag ihren Boykott der Friedenskonferenz und jeglicher diplomatischer Bemühungen zur Beendigung der Krise, solange Milizen des Irans und der Hisbollah „ihre Invasion Syriens“ und die Belagerung der heiß umkämpften, strategisch wichtigen Stadt Kusair fortsetzten. Zehntausende von der Außenwelt völlig abgeschnittene Zivilisten seien von einem Massaker bedroht.
In Wahrheit aber verlor die Koalition durch ihre heftigen Streitereien den Rest an Glaubwürdigkeit und stürzt damit jene Staaten, die sie als Alternative zum Assad-Regime aufzubauen hofften, in ein schweres Dilemma. Oppositionskreise führen dieses Desaster auf intensive Versuche von Regionalmächten zurück, sich in Syrien über die Opposition langfristig dominierenden Einfluss zu sichern . Die Koalition war im November auf US-Initiative mit Unterstützung Katars in der Hoffnung gegründet worden, den von Islamisten kontrollierten, aber ebenso intern bis zur Unfähigkeit zerstrittenen „Syrischen Nationalrat“ als effiziente Vertretung des syrischen Volkes abzulösen. Doch sehr rasch stellte sich heraus, dass zwei Blöcke – die von Katar unterstützte Moslembruderschaft und deren Gesinnungsgenossen, sowie eine starke Fraktion unter Führung des eng mit Katar verbündeten syrischen Geschäftsmannes Mustafa al Sabbagh – dieses Gremium dominieren. Säkulare Kräfte und Vertreter der starken Minderheiten Syriens sind ausgeschlossen. Ebenso  hatte sich Saudi-Arabien in den vergangenen Monaten mehr und mehr von einem aggressiv um Einfluss agierenden Katar verdrängen lassen. Doch das wachsende Engagement seines größten geopolitischen Rivalen Iran (und dessen Handlanger, die Hisbollah) im Syrienkonflikt hat nun Riad derart alarmiert, dass es selbst über ihm ideologisch ferne stehende Gruppen neuen Einfluss aufzubauen sucht. So versuchten die Saudis – bisher allerdings vergeblich – eine Erweiterung der Koalition von derzeit 60 auf 95 Vertreter durchzusetzen und unterstützen dabei primär eine Fraktion liberaler Syrer, geführt von dem prominenten langjährigen Oppositionellen, dem christlichen Marxisten Michel Kilo. Die Aufnahme dieser Fraktion, in der zahlreiche Frauen und Vertreter aller Minderheiten eingeschlossen sind, würde die Dominanz der Islamisten und damit auch jene Katars brechen. Dieser Machtkampf verurteilt die Opposition zur Handlungsunfähgikeit, der ihrem Ansehen umso mehr schadet, als ihr Land zunehmend ausblutet.
 „Dieser Wettkampf um die Macht tötet die syrische Opposition“, klagt ein Gegner Assads, der lieber anonym bleiben will. Und der prominente Intellektuelle, erster Führer des „Syrischen Nationalrates“, Burhan Ghalioun, fasst die Misere drastisch zusammen: “Das syrische Volk sieht sich heute zwei Feinden gegenüber: dem Regime und seinen Verbündeten auf der einen Seite und unserer Spaltung, die das Ergebnis eines Wettstreits um sinnlose Positionen ist. Und ich würde beinahe sagen, dass dieser zweite Feind nicht weniger gefährlich ist als der erste.“

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